Laut Beschluss der Europäischen Standard Kommission sind beim Rassegeflügel ab sofort 10 Handschwingen je Flügel gefordert . Tiere mit mehr als 10 Handschwingen dürfen ab sofort nur noch mit max. 95 Punkten bewertet werden. Begründet wurde das seitens des Europaverbandes mit tierschutzrelevanten und rassekonformen Gründen: einer Übertypisierung von Merkmalen soll damit frühzeitig entgegengewirkt werden, jegliches Merkmal mit extremer Ausprägung ist aus tierschutzrelevanten Gründen abzulehnen.
Der Beschluss der Europäischen Kommission besagt, dass Tiere mit mehr als 10 Handschwingen je Flügel ab sofort nur noch mit max. 95 Punkten bewertet werden dürfen. Begründet wurde das seitens des Europaverbandes mit tierschutzrelevanten Gründen: einer Übertypisierung von Merkmalen soll damit frühzeitig entgegengewirkt werden, jegliches Merkmal mit extremer Ausprägung ist aus tierschutzrelevanten Gründen abzulehnen. Dabei obliegt es den Züchtern, den Sondervereinen und den Preisrichtern, die Rassen ständig auf übertypisierte oder tierschutzrelevante Merkmale zu prüfen. So verfügen mittlerweile einzelne Tiere bestimmter Rassen über 16 und mehr Handschwingen pro Flügel! Bezüglich der Anzahl der Handschwingen findet seit mehreren Jahren ein Monitoring durch den BZA statt.
So weit, so gut.
Doch sehen wir doch auch einmal das Problem aus Sicht eines Erhaltungszüchters einer Rasse, die auf der Roten Liste steht, mittlerweile durch fleißige Zuchtarbeit desselbigen schon weiter hinten, nichts desto trotz immer noch bedroht.
Zu hartes Durchgreifen könnte das Ende nicht nur dieser Zucht, sondern der gesamten Rassegeflügelzucht bedeuten.
Deutsche Lachshühner sind ohne zu übertreiben, mit eine der schwersten Rassen zum züchten.
Sie haben nicht nur eine Vielzahl von Merkmalen, auch aufgrund ihres Geschlechtsdimorphismus ist die Zucht sehr schwierig. Fünfzehigkeit, Außenzehbefiederung, Bart, Farbbild, ein kräftiger Körperbau und die unterschiedliche Zeichung von Hahn und Henne, sowie ein begrenzter Züchterkreis und somit enger Genpool, machen diese Rasse nicht leichter zu züchten.
Dazu kommt, dass die Aufzucht von großen, schweren Rassen nicht nur viel Platz kostet, und viel Aufwand bedarf, die Aufzucht kostet auch eine Menge Geld, denn man sollte nicht unterschätzen, was diese großen, kräftigen Tiere an hochwertigem Futter brauchen, auch schon, oder gerade während, der Aufzucht.
Ganz davon Abgesehen die Kosten für Impfungen und Entwurmung, Einstreu und Zubehör.
Doch fangen wir einmal beim Küken an.
Läuft alles gut, und die Zuchttiere passen gut zueinander, hat man eine ausreichende Anzahl an Bruteiern mit optimalem Bruteigewicht zur Verfügung. Kommen eine optimale, fehlerfreie Brut hinzu, erfreut man sich an den Küken die geschlüpft sind.
Hat man nun 100 Küken, die geschlüpft sind, sortiert man, wenn man Glück hat, am ersten Tag schon 25 Küken aufgrund suboptimaler Zehentrennung aus, und verschenkt sie an Liebhaber ohne Zuchtambition (ja, ich weiß, es gibt auch Züchter, die bringen sie zum Falkner oder zum Zoo). Nach ein paar Wochen betrachtet man den Kamm, und schon sind es wieder 25 Küken weniger, die man an Liebhaber verschenkt, weil der Kammschnitt nicht gleichmäßig ist.
Denn auch wenn eine Rasse so durchgezüchtet ist, fallen aus der Verpaarung von vermeintlich 'perfekten' Tieren immer wieder Tiere mit Zehen- und Kammfehlern, auch wenn man die Zuchttiere über Generationen hinweg kennt.
Hat man Glück, hat man KEINE Aufzuchtverluste durch Habicht, Fuchs, Marder oder Erkrankungen, und auch keine, ich nenne es jetzt einmal 'Erbkrankheiten' wie Perosis oder Kreuzschnäbel. Denn man weiß ja mittlerweile, dass die Disposition zu Schnabelanomalien bei Rassen mit Bart häufiger anzutreffen ist, als bei Rassen ohne Bart. Auch wenn sich diese Fälle nur im niedrigen Prozentanteil bewegen, sie treten auf.
Wir waren bei 50 Küken stehen geblieben.
Bei gutem Verlauf, wachsen und gedeihen die Tiere prächtig. Man hat Ringe bestellt und die Tiere beringt. Das Junggesellengefieder wird ein paar mal gewechselt, bevor man letztendlich die endgültige Farbe und Zeichnung sehen kann.
Aus den 50 Küken sind jetzt 50 Jungtiere geworden. Mit viel Glück hat man 25 Hennen und 'nur' 25 Hähne. In manch einem Jahr sieht das aber auch ganz anders aus, und man kann sich glücklich schätzen, wenigstens 10 - 15 Hennen zu haben.
Jetzt fängt man an, nach Zeichnung zu sortieren. Die Hähne dürfen keine schwarze Schaftstrichzeichnung in Halsbehang mehr haben, ein Krausenfleck hingegen wäre nett. Also sortiert man von den 25 Hähnen wieder 15 aus. Bleiben 10. Bei den Hennen werden die Tiere aussortiert, die Ruß haben, oder zu helle Decken oder ein ungleichmäßiges Farbbild. Bleiben auch 15 übrig. Wohl betont im besten Fall.
Sind wir bei 30 Jungtieren.
Bei einigen Hähnen entwickelt sich der Bart spärlich und es zeigen sich Kehllappen. Schon wieder 5 Hähne weniger.
Bei den Hennen zeigt sich keine Säumung, man sortiert wieder 5 Tiere aus.
Sind wir bei 20 Jungtieren.
Nun kommt die Königsdisziplin: die Figur. Keine Unterbrust und kein breiter Sattel: es werden 10 Liebhabertiere aussortiert.
Sind wir bei 10 Jungtieren. Ich betone es noch einmal: 10 von 100 Tieren.
Dann entdeckt man, dass einige Hähne eine falsche Sporenlage haben, oder eine Flügellücke oder kein Flügeldreieck zeigen oder ein paar Hennen ein helles Auge oder einen Hummerschwanz haben. Und sortiert noch mal 5 Tiere aus.
Bleiben 5. Und diese 5 haben, genau wie alle anderen, 11 oder 12 Handschwingen pro Flügel.
Und die muss ich jetzt auch aus der Zucht nehmen, so möchte es der BZA.
Bleibt am Ende eines Jahres von der vielen Arbeit und den Kosten eine volle Gefriertruhe, oder man hat viele Liebhaber glücklich gemacht, und selber auf Freizeit, Urlaub und vieles andere verzichtet.
Dann stellt man sich doch zwangsläufig die Frage: lohnt sich dieser ganze Aufwand überhaupt? Kann, und vor allem MÖCHTE man unter dieser Prämisse überhaupt noch züchten und eine Rasse erhalten?
Meine Meinung als Züchter ist: hier sollte man behutsam an ein solches Problem herangehen. Die Züchter wissen nun um die Problematik, und man sollte in Anbetracht der Tatsache, dass die Züchter die letzten Jahre dazu genutzt haben, die Rasse nicht nur zu erhalten, sondern auch weiterzuentwickeln, auf einem sehr hohen Niveau, um dem Rassestandard möglichst nah zu kommen, diese Zuchterfolge nicht vernichten, durch ein 'Eingreifen von aussen'.
Sollte man den jetzt erreichten schon recht hohen Zuchtstand wirklich zugunsten von 10 Handschwingen aufgeben, oder wäre es nicht sinnvoller, den Züchtern eine 5 - 10 Jahresfrist zu gewähren, bevor man so hart durchgreift, und die Tiere auf einer Schau abwertet.
Ich denke nur an die hellen Decken zurück, die wir noch vor ein paar Jahren bei den Hennen hatten, und vor allem: die fehlende Vitalität, die wir durch Fremdbluteinkreuzung wiedererlangt haben. Von mehr als 10 Handschwingen aufgrund von Inzuchtdepression kann, zumindest in unserer Zucht, keine Rede sein. Betrachtet man die Schwingen für sich, sind diese extremst breit, was nicht nur auf die gute Fütterung zurückzuführen ist, sondern auch auf die Vitalität und das frische Blut. Und selbst die Kreuzungstiere zwischen Lachshuhn x Dorking oder Sussex x Lachshuhn wsc, Sundheimer x Lachshuhn wsc haben durchweg alle 11 - 12 Handschwingen.
Viele Rassen, nicht nur die Dt. Lachshühner, verzeichnen aktuell deutliche Verbesserungen in allen Merkmalen und in der Leistungsfähigkeit (die Anzahl der gelegten Eier ist gestiegen, und auch das Eigewicht). Das heißt jedoch nicht, dass in diesem Punkt weiterhin keine großen Anstrengungen nötig sind, diese Zuchtmerkmale zu festigen, oder noch weiter zufestigen und an den Rassestandard heranzubringen. Dieses muss man als Prozess zu verstehen, welcher eine gewisse Zeitspanne benötigt. Eine Eingreifen zugunsten eines einzigen Merkmales würde zu einem Verlust des hohen Zuchtstands vieler Geflügelrassen bedeuten. Dieses gilt es zu verhindern.
Sinnvoll wäre ein Antrag beim BZA für eine Übergangsfrist, die es den Züchtern ermöglicht, sich bei relativem Beibehalt des hohen Zuchtniveaus das Problem der Anzahl der Schwingen als Zuchtziel zu setzen.
Was nützen uns Dt. Lachshühner mit 10 Handschwingen, die in Größe, Gewicht, Form , Farbe, Kammschnitt, Bartbildung, Augenfarbe, Schnabelform, Zehentrennung, Sporanlage, Fruchtbarkeit, Vitalität und Leistungsfähigkeit versagen, aber über die geforderte Anzahl an Handschwingen verfügen.
Mir drängt sich auch die Frage auf, ob mehr als 10 (11 - 12) Handschwingen wirklich eine Übertypierung mit tierschutzrelevantem Hintergrund ist, und ob wir nicht dringlichere Probleme in der Rassegeflügelzucht zu bewältigen haben.
Bleibt dieser Punkt bestehen mit der Forderung nach 10 Handschwingen, bzw. werden konsequent Tiere mit mehr Handschwingen degradiert, werden wir viele Züchter oder besser gesagt Ausstellungszüchter verlieren. Einige werden einfach nicht mehr ausstellen, und ins Lager der 'Liebhaberzüchter' wechseln, wiederum andere werden die Zucht ganz aufgeben.
Und das ist mit Sicherheit nicht im Sinne der Rassegeflügelzucht.
Jörg Marfeld