Zuerst einmal vorweg: die meisten Verletzungen sehen schlimmer aus, als sie sind.
Und - Hühner haben unglaubliche Selbstheilungskräfte. Daher sollte man erst einmal Ruhe bewahren, die Verletzung genau untersuchen, und dann entscheiden, ob man abwarten kann, selber helfen sollte, oder einen Tierarzt zur Rate ziehen muss.
Während Streitigkeiten unter Hähnen aber auch bei Hennen oft sehr blutig ausgehen, sieht es generell viel schlimmer aus als es ist. Ein Biss in den Kamm oder die Kehllappen kann zu einer 'vermeintlich großen Blutung' führen. Schüttelt das Tier dann den Kopf, verteilt sich eine objektiv betrachtet 'relativ kleine Blutmenge' auf eine relativ große Fläche Haut und Gefieder. Gerade bei weißen Hühnern sieht das dann sehr bedrohlich aus. Doch keine Angst, in den meisten Fällen ist alles halb so wild wie es aussieht.
Dieser Hahn hatte während der Stallpflicht 2017 eine Meinungsverschiedenheit mit einem anderen Hahn.
Das sah dann wirklich sehr schlimm aus. Das war es aber nicht. Nachdem das Blut getrocknet war, fiel das getrocknete Blut nach ein paar Tagen als Staub aus der Feder. Die Krusten an Kamm und Kehllappen waren nach einer Woche auch verschwunden, nach und nach waren sie im Laufe des Heilungsprozesses abgefallen. Eine tierärzliche Behandlung war nicht nötig, ebenso wenig eine Antiobiose.
Generell rate ich davon ab, das Blut abzuwaschen, oder die Krusten zu entfernen. Die Krusten sind der ganz natürliche Wundverschluss, und das Blut hat potentielle Keime aus der Wunde gespült. Daher sind blutenden Wunden weniger infektionsgefährdet als als oberflächliche, großflächige, und nicht blutende Wunden.
Blut im Gefieder stellt nur eine optische Beeinträchtigung für den Halter dar, fällt nach dem Trocknen von selbst aus der Feder. Das Waschen, Baden oder Manipulieren am Tier um es 'zu reinigen' bedeutet im Gegenzug viel mehr Stress.
Wie kommt es zur Krustenbildung?
Nach einer Verletzung kommt es einerseits zu einer Vasokonstriktion (Gefäßverengung) und andererseits durch Adhäsion (Anheftung ) und Aggregation (Verklebung) von Thrombozyten zur primären Hämostase (Blutstillung).
Das ist überlebenswichtig, damit das Tier nicht verblutet.
Im weiteren Verlauf erzeugen Plasmabestandteile, im speziellen verschiedene Gerinnungsfaktoren, ein Netz aus Fibrinfäden, in dem sich Erythrozyten ( roten Blutkörperchen) anlagern, und einen Thrombus bilden, der sich zusammenzieht und verfestigt.
Nach der Hämostase erfolgt die Wundheilung, indem Fibroblasten (das sind Bindegewebe bildende Zellen) in den Thrombus einwachsen und ihn bindegewebig umbauen. Dabei sterben beschädigte Zellen ab und werden abgebaut.
Es ist optimal für eine Wunde, wenn sie trocken heilen kann, da die trockene Kruste einen sicheren Abschluss der Wunde darstellt, der die Bakterienvermehrung hemmt.
Trittverletzungen der Henne durch den Hahn kommen oft vor, und zumeist bemerkt man es erst sehr spät.
Durch das Treten brechen die Federn in der Sattellage und unter den Flügeln, bis sie letztendlich ganz ausgefallen sind. Wird der Hahn jetzt nicht von den Hennen getrennt, oder die Hennen durch einen Trittschutzsattel geschützt, kann es zu Hautrissen mit tiefer Taschenbildung kommen.
Eine Besonderheit bei Hühner ist, dass die Haut nicht mit den darunter gelegenen Gewebeschichten verbunden ist, und ein Riss in der Haut somit immer sehr bedrohlich aussieht, selbst wenn die darunter liegenden Gewebeschichten nicht verletzt sind.
Oftmals zeigen die Hennen keinerlei Schmerzempfinden, baden im Staub, und verunreinigen und infizieren so die Wunde.
In so einem Fall empfiehlt es sich, vor allem im Sommer, die Wunde zu spülen, und dafür zu sorgen, dass keine Fliegen ihre Eier in die Wunde legen können.
Dazu kann man Wasserstoffperoxid Lösung (H2O2) 3% verwenden. Das H2O2 sprudelt in der Wunde und spült Schmutz und Keime heraus. Im Idealfall wechselt man einen um den anderen Tag H2O2 mit Betaisodona Lösung ab. Das in der Betaisodona Lösung enthaltene Polyvinylpyrolidon ist eine Iod-Verbindung, die Keime zuverlässig abtötet. Eine solche u.U. stark verschmutzte, stinkende Wunde darf nicht verschlossen werden, und muss langsam von unten hochheilen. Solch tiefe Wunden heilen immer von unten nach oben und von außen nach innen, bis letztendlich die Epithelisierung erfolgen kann.
Auch ein Auffrischen der Wundränder mit anschließendem Vernähen ist nicht zu empfehlen. Im Allgemeinen ist eine solche Wunde beim Huhn nach 1 -2 Wochen komplett verheilt. Voraussetzung ist, dass die Henne von Hahn getrennt wird, und die Wunde täglich gespült wird.
Ideal ist eine Kompresse in der Wundtasche, so lange diese noch sehr tief ist, die das entstehende Exsudat aufnimmt und durch eine Art 'Dochtfunktion' in eine sekundäre Wundauflage ableitet, die dann das Exsudat aufnimmt..
Das Foto zeigt die Tasche nach ca. 1 Woche, wo die Wunde schon durch eine Kruste verschlossen ist.
2 Wochen nach Behandlungsbeginn war die Wunde komplett verheilt.
Bis das Gefieder komplett erneuert ist, sollte die Henne einen Trittschutzsattel (Hühnerweste) tragen oder vom Hahn getrennt werden.
Durch Greifvogelangriffe, Pickverletzungen oder Kannibalismus kann es zu solchen klaffenden Wunden auf dem Rücken kommen. Bei solch frischen, blutenden Wunden ist es indiziert die Wunde zu verschließen.
Hat man die Möglichkeit, mit dem Tier zu einem Tierarzt zu fahren, ist das die beste Möglichkeit.
Ist kein Tierarzt erreichbar (solche Unfälle ereignen sich im Allgemeinen oftmals dann, wenn die Tierärzte geschlossen haben, an Wochenenden, Abends oder an Feiertagen) kann man, sofern man sich das zutraut, die Wund klammern oder mit wenigen Stichen vernähen. Hat man für den Notfall kein Nahtmaterial oder Hautklammergerät da, kann man die Wunde auch mit wenigen Stichen mit Küchenzwirn vernähen. Keine Angst: eine Lokalanästhesie ist nicht nötig, denn die Stiche, um das Hautareal zu anästhesieren, sind oftmals mehr, als die 2 - 3 Stiche, um die Wunde zu verschließen. Ein derart verletztes Tier hält im Allgemeinen ganz still, und nimmt nach dem Vernähen sofort wieder sein 'Alltagsgeschäft' wie fressen oder trinken auf. Das liegt auch daran, dass Vögel eine andere Schmerztoleranz haben als Säugetiere.
Nach dem Vernähen einer solchen Wunde, kann man die Naht noch mit Octenisept (gibt es in der Apotheke), Aloxan Silberspray (Sprühverband) (gibt es im Landhandel) oder CTC-Blauspray (Novartis Tiergesundheit GmbH) einsprühen, das zur effektiven Antibiose Chlortetracyclin enthält (gibt es beim Tierarzt). (Bitte nicht mit Blauspray zur Flächendesinfektion verwechseln!)
Diese Wunde wurde mit 3 Stichen mit Küchenzwirn vernäht.
Es ist immer besser, die Wunde zu verschließen, als abzuwarten bis das Wochenende vorüber ist, und solange nichts zu tun.
Eine Antibiose ist in den meisten Fällen nicht nötig, und nach einer Woche kann man die Fäden ziehen, und die Wunde ist verheilt.
Diese Tendenz zur schnellen Wundheilung und Regeneration ist der hohen Körpertemperatur der Hühner geschuldet. In der freien Wildbahn hing das Leben der Hühner von einer solchen schnellen Wundheilung ab.
Ganz anders sieht es aus bei Tumoren.
Dieser Hahn musste in Vollnarkose operiert werden, damit ein Tumor entfernt werden konnte.
Ein solcher Eingriff ist viel zu schmerzhaft und gehört in die Hände eines erfahrenen Tierarztes.
Nur so ist der Erfolg der Behandlung garantiert.
Nach der OP war das OP Gebiet stark angeschwollen, was eine völlig normale Reaktion darstellt.
Der Tumor konnte komplett entfernt werden und nach 7 Tagen wurden die Fäden gezogen.
Leider kam nach ein paar Monaten der Tumor zurück und hat das Auge zerstört. Das Auge musste in einer weiteren OP in Vollnarkose komplett entfernt werden.
Wenn man sich unsicher ist, ob die Verletzung nicht doch schwerwiegend ist, empfehle ich immer, einen Tierarzt zur Rate zu ziehen.
Früher konnte jeder alten Hühner- oder Taubenzüchter sein verletztes Tier selber nähen. Es blieb ihm ja auch nichts anderes übrig. Tierärzte die Hühner oder Tauben behandelt haben, gab es kaum oder gar nicht.
Und so hat so macher Hühner- / Taubenhalter seinem Tier durch das Nähen von Wunden das Leben gerettet.